Eule
Städt. St.-Anna-Gymnasium

1987 — Veränderungen durch Koedukation am SAG

Nachdem man einen Blick in die Jahresberichte aus den Jahren 1984 bis 1986 geworfen hat, kristallisiert sich bereits heraus, dass das St.-Anna-Gymnasium zu dieser Zeit ein Problem mit der Anzahl seiner Schülerinnen hatte. Stetig nahm diese ab und es galt eine Lösung zu finden.

Vor 100 Jahren, 1912, wurde das St.-Anna-Gymnasium, seit langem von einem »Verein für Fraueninteressen« gefordert, gegründet. Dieser Verein setzte sich vor allem für im Vergleich zu den weiterführenden Knabenschulen gleichwertige Bildungsangebote für Mädchen ein. Die Schule vergrößerte sich rasch, hatte nach dem 2. Weltkrieg ihre höchsten Schülerzahlen und im 75. Jahr ihres Bestehens die geringsten Neuzugänge ihrer Geschichte. Die Suche nach den Gründen für Letzteres führte schließlich zu Folgendem: Die Eltern wollten ihre Kinder nicht mehr auf reine Mädchenschulen schicken. Herr Buchmeier, ein Deutsch- und Englischlehrer, der zur damaligen Zeit frisch an die Schule kam, erzählt vom Problem: »Mädchenschulen waren out, von vorgestern, ein alter Schuh, und deshalb gab es einen enormen Rückgang der Schüler!« So erlaubte die Schulverwaltung, einen Antrag der Schule auf Koedukation zu stellen. Den Lösungsweg bestätigt die im ersten gemischten Jahrgang angestiegene Zahl an Neuanmeldungen — 100 mehr als im Jahr zuvor. So kam es zu diesem Wendepunkt in der Geschichte des St.-Anna-Gymnasiums dem alle stets offen und freudig auf neue Erfahrungen sowie Aufgaben entgegen sahen.

Erste Klasse Jungs am SAG

Das Bild zeigt die Klasse 5c des ersten Koedukationsjahrganges, 1988.

Sonja Keßler, eine Schülerin der damaligen K13, brachte in einem Artikel im Jahresbericht von 1986/87 die allgemeine Einstellung sehr gut auf den Punkt. Sie schrieb an die künftigen Schüler: »Liebe Buben, dass ihr nächstes Jahr kommt, hat mir einen schönen Schrecken eingejagt. […] Vielleicht sollte ich euch sogar warnen: Ihr werdet mit Mädchen zu tun haben, die sich wehren wollen und können und die auch von ihren mathematisch-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten überzeugt sind — selbst wenn Ihr bessere Physikbaukästen haben solltet! Ihr werdet mit Lehrern und vor allem auch mit Lehrerinnen zu tun haben, die diese Überzeugung teilen. Ihr seid zahlenmäßig in der Minderheit und werdet euch schwerer behaupten können als anderswo. Aber keine Angst! Gesellschaftlich gesehen sind ja die Mädchen und Frauen immer noch eine Minderheit. Ihr müsstet also viel Verständnis für einander aufbringen — und euch nicht nur zusammenraufen!«

Die Reaktionen fielen verschieden aus. Seitens der Lehrer wurde der Jungenschub teils als erfrischend empfunden, teils auch kritisiert, da die Disziplin allgemein abnahm. Die Mädchen fanden die jungen Buben frech und wünschten sich anfangs mehr Anstand. Im Schuljahr 1996/97 war die Koedukation schließlich in allen Jahrgangsstufen eingeführt, und sie hält bis heute an.

Klara Obermaier