Essay: Wer hat Angst vor der schwarzen Frau?
Angst ist eine überlebenswichtige Emotion. Großwerdende Pupillen, steigender Blutdruck und schnellerer Herzschlag sind Zeichen, dass wir uns in einer gefährlichen Situation befinden, wo es um Leib und Leben geht. Stellen Sie sich jetzt vor, nach einem langen Arbeitstag gehen Sie abends zurück nach Hause und Sie bemerken eine schwarze Person. Ihnen fällt nach einiger Zeit auf, dass diese den exakt selben Weg geht wie Sie. An der Ampel warten Sie einige Sekunden, damit der Fremde Sie überholt. Als diese Person an ihnen vorbeigeht, merken Sie, dass es sich um ein kopftuchtragendes schwarzes Mädchen handelt. Erleichterung macht sich in ihrem Körper breit und sie atmen auf, als Sie bemerken, dass Ihnen nichts passiert ist. Sie gehen danach wieder nach Hause. Bei dem Mädchen handelt es sich um mein 13-jähriges Ich, die abends von einer Freundin nach Hause gekommen ist. Solche Reaktionen bekomme ich öfters zu spüren. Man wechselt die Straßenseite, wenn man mich sieht. Das Schritttempo wird schneller und die Tasche wird festgehalten. Warum aber reagiert man als erwachsener Mann auf ein kleines Mädchen? Warum hat man eigentlich Angst vor der schwarzen Frau?
Menschen sind soziale Wesen. Es entstehen soziale Rollen sowie Einstellungen und Haltungen des Menschen entwickeln sich und prägen sich aus. Da der Mensch nicht nur über Instinkte verfügt, die sein Handeln steuern, muss dieser im Prozess Normen und Verhaltensstandards erlernen. Was also die meisten in unserer Gesellschaft sagen, steht hierbei im Zentrum und Minderheiten werden einfach ignoriert.
Obwohl in Deutschland geboren und nie irgendwohin migriert, fällt es der deutschen Bevölkerung schwer, Menschen wie mich als Teil der Gesellschaft zu akzeptieren. Man wird trotzdem als Ausländer, Einwandererkind oder als Deutsche mit Migrationshintergrund betitelt. Es spielt nämlich keine Rolle, wie gut man Deutsch sprechen kann oder wie viel deutsche Kultur man auslebt. Wir gelten von Geburt an als Fremde im eigenen Land. Deswegen haben andere Angst, Menschen wie mich erfolgreich zu sehen. Als Führungsposition ganz oben mitzubestimmen. Die Bevölkerung muss nämlich so homogen wie möglich bleiben. Das ist eine Denkweise, die sich viele nicht eingestehen wollen. Sogar wenn der gewaltorientierte Rechtsextremismus steigt und rechte Parteien wie die AfD im Bundestag sitzen, ist die Migration trotzdem die Mutter aller Probleme. Die Fremden im eigenen Land.
Dazu ist zu beachten, dass es verschiedene Minderheiten gibt. Wenn man sich aber eine Frau vorstellt, denkt man an eine weiße junge Frau, wenn man sich eine schwarze Person vorstellt, denkt man an einen athletisch schwarzen Mann und wenn man sich einen Muslim vorstellt, denkt man an einen Araber mit Bart. Obwohl ich eine schwarze muslimische Frau bin, werden mir immer mehrere Attribut abgeschrieben. Ich kann nämlich nicht alles auf einmal sein, eine dieser Eigenschaften muss immer eine wichtigere Rolle haben als die andere. Als wäre es eine ungeschriebene Regel, dass man nicht wegen mehrerer verschiedener Sachen diskriminiert werden kann. Wenn dies aber der Fall ist, wird man oft nicht als Opfer von Diskriminierung gesehen, sondern als Sensibelchen, dass halt wieder übertreibt. Obwohl ich natürlich viel mehr bin als mein Geschlecht, meine Hautfarbe und mein Kopftuch, ist es das erste, was andere sehen und beurteilen.
Es ist also wichtig, dass man nicht über Menschen wie mich, die zu mehreren Minderheiten gehören, einfach hinwegsieht. Ich erfahre anderen Sexismus, Rassismus und Islamophobie und das wird auch immer so sein. In den USA beispielsweise wurde vor kurzem vom Supreme Court festgelegt, dass die verschiedenen Staaten die Abtreibung verboten können. Man stellt sich dabei eine junge weiße Frau vor, die nun ihr College nicht abschließen kann, weil sie das Kind aufziehen muss. Dabei aber sind schwarze Frauen in armen Regionen am meisten betroffen. Die lässt man halt einfach weg. Verschiedene Faktoren sollten immer mitberücksichtigt werden. Intersektionalität sollte dabei aber nicht ignoriert werden. Ich bin eine schwarze, muslimische Frau und kann keines dieser Attribute einfach ablegen, wenn es mir gerade passt, und das wird auch immer so sein. Ich habe aber gelernt, diese Eigenschaften nicht als Hindernis zu sehen, sondern als etwas einzigartiges, einen Teil von mir.
Amaal Rashid