Games und Geschichte
Einführung
Historiengames haben weltweit eine große Fangemeinde, das Spielen dieser Computerspiele ist für viele Jugendliche ein fester Bestandteil ihres Alltags. Besonders beliebte Themen dieser Spiele sind das Mittelalter und die beiden Weltkriege. Meist wirken sie sehr authentisch, da sie vorgeben, auf historischen Ereignissen zu basieren oder diese zu thematisieren.
Ihre Gestaltung kann ganz unterschiedlich sein, von hyperrealistisch bis fantastisch. Diese Spiele bieten die Möglichkeit, sich auf eine virtuelle Zeitreise in die jeweilige historische Epoche zu begeben. Sie sind entweder als typische Strategiespiele aufgebaut, wie zum Beispiel Age of Empires II, oder sie folgen einem »Was wäre wenn?«-Drehbuch. In dieser Form des Spiels hat die Geschichte einen anderen Lauf genommen und die Spieler kämpfen heldenhaft gegen die Unterdrückung. Ein Beispiel dafür ist das Game Wolfenstein: The New Order in dem das Dritte Reich die Weltherrschaft übernommen hat und der Spieler in der Rolle des Helden gegen die totalitäre NS-Diktatur kämpft. Nicht nur Unterhaltung und Zeitvertreib werden hier geboten, sondern auch das Entfliehen in eine fiktive Welt und dort das Ausüben von Macht.
Das erklärt die große Attraktivität der Historiengames und ihren Erfolg in der Gamer community, sorgt allerdings auch für viel Kritik, sowohl von den aktiven Gamern, als auch von Seiten der Wissenschaft. Der Vorwurf, diese Spiele würden die tatsächlichen Fakten verdrehen, die Vergangenheit glorifizieren und damit kein authentisches Bild der Geschichte zeichnen, wird immer wieder diskutiert.
Es stellen sich also folgenden Fragen:
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Ist es überhaupt ethisch vertretbar, die dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte zu Unterhaltungszwecken auszuschlachten?
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Und wenn man diese Frage bejaht, wie korrekt müssen diese Spiele dann historische Abläufe und deren Konsequenzen für die Menschen damals und heute abbilden, und wie weit halten sie sich dabei an wissenschaftlich belegte Fakten? Dürfen Geschehnisse und einzelne Elemente der Geschichte frei erfunden werden, wenn sie nur der Unterhaltung und dem thrill dienen?
Anhand von den folgenden zwei Spielen soll diesen Fragen auf den Grund gegangen werden.
Assasin's Creed
Assasin’s Creed ist ein Computerspiel aus dem Action-Adventure-Genre und handelt vom Kampf zwischen den Assasinen und den Templern im 12. Jahrhundert. Der Spieler selber nimmt die Rolle eines Mitglieds der Assasinen ein. Sein Ziel ist es, die nötigen Fertigkeiten, Taktiken und den Umgang mit den Waffen zu erlernen, um die Drahtzieher der Tempelritter auszuschalten. Das Spiel erscheint unglaublich realistisch, unter anderem dadurch dass bei der Entwicklung extrem viel Wert auf Details gelegt wurde. Die Spielwelt ist aufgebaut aus zeitgenössischer Architektur, Ereignissen, Persönlichkeiten und Kleidung. Deshalb glauben viele, dass zumindest der erste Teil des Spiels auf historischen Fakten beruht. Trotzdem wurden viele Elemente frei erfunden, um das Spiel interessanter zu gestalten. Beispielsweise sind die Kleidung und die technisch-fortschrittlichen Hilfsmittel der Assasinen im Spiel ausgedacht. Man kann in dem Spiel auf historische Persönlichkeiten wie Karl Marx treffen, jedoch wurde auch bei deren Darstellung etwas dazu gedichtet.
Obwohl die Geschichte der Assasinen sehr viel simpler dargestellt wird, als sie tatsächlich war, gab es sie wirklich. Jedoch nannten sie sich selber Kämpfer der Nizariten. Die Nizariten sind eine religiös-politische Gruppe und eine Abspaltung des Schiismus, also der zweitgrößten religiösen Strömung innerhalb des Islams. Aufgetaucht sind sie während der Kreuzzüge im Nahen Osten. Bei dem Versuch, ihre eigene Glaubensrichtung durchzusetzen, vor allem gegenüber den Sunniten, setzten die Nizariten politische Auftragsmörder ein- die Assasinen. Mit ihrer terroristischen Taktik gelang ihnen für einige Zeit der Machterhalt über ein kleines Herrschaftsgebiet.
Bei dem Kampf in dem Spiel geht es jedoch nicht um Religion, sondern um den andauernden Kampf zwischen Templern und Assasinen bis in die Gegenwart. Dabei versuchen die Templer den freien Willen zu unterdrücken und die Menschen gleichzuschalten, während die Assasinen die Freiheit des Individuums verteidigen. Es werden zwar historische Ereignisse aufgegriffen, allerdings in einem anderen Kontext und leicht abgeändert.
Battlefield I
Das Spiel Battlefield ist ein Ego-Shooter und spielt im Ersten Weltkrieg. In dieser Schlachtfeldsimulation nimmt der Spieler verschiedene Rollen an, er kann Infanterist, Sanitäter, Aufklärer oder Versorgungsspezialist sein und kann zum Beispiel durch das Steuern von Kriegsfahrzeugen in den Kriegsverlauf eingreifen. Auch die Kriegspartei kann selber gewählt werden. Schauplätze, Perspektiven und Erzählungen der Kriegsgeschichte wechseln im Laufe des Spiels. Die in dem Spiel gezeigten Waffen, Fahrzeuge und Schauplätze stimmen zwar weitgehend mit der Wirklichkeit überein, werden aber doch sehr stark überspitzt dargestellt. Beispielsweise gibt es viel zu schnelle Panzer und halbautomatische Waffen, die zu der Zeit nur in sehr kleiner Stückzahl existiert haben. Der Prolog des Spiels ist sehr hart und zeigt die Sinnlosigkeit des Massensterbens während des Ersten Weltkriegs bewusst auf. Der Spieler nimmt an einer Schlacht teil und wenn er stirbt, wechselt er in einen anderen Soldaten und das Spiel geht weiter. Damit weist das Spiel außerdem darauf hin, dass über das Leben und den Tod einer ganzen Generation oftmals einfach nur pures Glück entschied.
Fazit
Diese beiden Spiele sollten die Problematik der Historiengames beispielhaft aufzeigen. Assasins Creed steht dabei für die Historiengames, die nicht auf dem tatsächlichen Verlauf der Geschichte basieren, sondern die historischen Ereignisse in einen anderen, manchmal willkürlichen Kontext stellen und Fakten um der Spielhandlung und der Spannung willen abändern, neu erfinden oder auch verschweigen. Dies kann grundsätzlich zur Vermittlung eines problematischen Halbwissens führen.
Battlefield I wiederum ist ein Vertreter der Gattung von Spielen, welche an sehr starke Emotionen appellieren, an Furcht, Wut und Rache. Dabei ist es sehr schwer, beinahe unmöglich, die Glorifizierung und gleichzeitig auch Verharmlosung von blutigen Kapiteln der Geschichte zu verhindern.
Dennoch haben diese Spiele auch positive Seiten, die nicht außer Acht gelassen werden sollen. Historiengames bieten nicht nur für den Entwickler einen klaren Vorteil, da sie sich keine komplett neuen Szenarien ausdenken müssen. Auch die Spieler haben, zumindest theoretisch, die Möglichkeit, interessante Themen aus der Vergangenheit kennenzulernen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und dadurch Geschichte besser nachzuvollziehen. Vielleicht wird bei manchen dadurch sogar ein Interesse an geschichtlichen Zusammenhängen geweckt, welches zuvor nicht existierte. Und wahrscheinlich gibt es auch durchaus harmlosere, weniger blutrünstige Spiele, die historisch weitgehend genau sind.
In jedem History Game sollte sich der Spieler aber darüber im Klaren sein, dass er in eine fiktive Realität eintaucht, in eine oft verkürzte, manchmal sogar verzerrte Version der tatsächlichen Ereignisse, welche vor allem auf leichte Lesbarkeit und das Triggern starker Emotionen abzielt. Es bleibt dem Spieler überlassen, die dargestellten Inhalte kritisch zu reflektiert und zu hinterfragen.
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte sollte auf jeden Fall gefördert werden, und das kann vielleicht auch mit Historiengames geschehen. Jedoch sollte es bevorzugt in einer Art und Weise passieren, die ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen dem Unterhaltungswert und der Dramaturgie des Spieles einerseits, und der Ernsthaftigkeit der dem jeweiligen Spiel zugrundeliegenden Themen andererseits verdeutlicht.
Als Beispiel dafür kann der Prolog von Battlefield I dienen, in dem die Macher versuchen, die Grausamkeit des Ersten Weltkrieges, die Sinnlosigkeit des Sterbens und die Zufälligkeit des Überlebens zu vermitteln und eine Abgrenzung des Spiels von der schrecklichen historischen Wahrheit versuchen.
Podcast
Diesen Essay gibt es auch als Podcast, gelesen von der Autorin!
Helene Erdmann, Q12