Eule
Städt. St.-Anna-Gymnasium

Regentropfenmelodie

Herzlichen Glückwunsch!

Wir gratulieren Miriam Treitinger, Klasse 10p, zur erfolgreichen Teilnahme beim Schreibwettbewerb des Literaturhauses mit folgendem Text!

(Begleitung durch A. Drews)

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Regentropfenmelodie

Platsch. Platsch. Platsch. Jeder meiner schweren Schritte macht ein Geräusch. Es ist ein Rhythmus, zu dem die auf meine Kapuze prasselnden Regentropfen eine Melodie spielen. Eine langweilige und eher monotone Melodie. Ich höre, wie ein Auto sich mir von hinten nähert. Keine drei Sekunden später ist es, an mir vorbei, durch eine Pfütze gefahren und es fühlt sich so an, als hätte jemand mit beiden Fäusten auf die Tasten eines Klaviers eingeschlagen.

Ich gehe weiter. Platsch. Platsch. Platsch. Ich frage mich, wann dieser Regen endlich aufhört. Mir ist kalt, meine Füße sind nass und ich muss meine Kapuze mit beiden Händen festhalten, damit der Wind sie mir nicht vom Kopf weht.

Ich bleibe stehen, um meinen Blick auf die rot leuchtende Anzeige an der Haltestelle zu richten, die ich zuerst nur verschwommen wahrnehme. Nach ein paar Sekunden erkenne ich, dass ich noch drei Minuten warten muss. Langsam schweift mein Blick über die anderen Personen, die bei diesem Scheißwetter auf die Trambahn warten müssen und bleibt an dir hängen. Du stehst nicht, wie alle anderen, zusammengedrängt im Wartehäuschen. Ich beobachte, wie du ein paar Meter außerhalb, dein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagernd, vor dich hin lächelst.

Jeder Tropfen Wasser, der dein Gesicht hinunterfließt, jeder Atemzug, der deine Lunge mit kalter Luft füllt, und jeder Windstoß, der dein Haar zerzaust, erfüllt dich etwas mehr mit einem Gefühl der Freiheit. Du würdest gerne tanzen, dich im Schlamm wälzen, wie ein kleines Kind. Du bewunderst die sich auf der nassen Straße spiegelnden bunten Lichter. Du genießt den Regen.

Platsch. Platsch. Platsch. Du trittst ein paar Mal von einem Fuß auf den anderen. Die Regentropfen spielen zu diesem Rhythmus eine einzigartige Melodie. Dich stören deine nassen Klamotten nicht. Du hoffst auf einen Regenbogen. Das Quietschen der einfahrenden Trambahn auf den nassen Schienen lenkt meine Aufmerksamkeit von dir weg. Die Bahn verlangsamt sich, kommt zum Stehen und die Türen öffnen sich. Einige Menschen steigen aus und spannen Regenschirme auf, oder ziehen ihre Kapuzen über, andere steigen ein und freuen sich über die Trockenheit.

Ich betrete, kurz bevor sich die Türen schließen, als letzte Person die Bahn und in der Spiegelung der Tür kannst du kurz mein Gesicht erkennen, die Mundwinkel zu einem unauffälligen Lächeln geformt.

Miriam Treitinger