Schüler berichten: Besuch im Landtag
Schweinebraten, schlechte Redner und »Libertas Bavariae«
Anlass für unseren Besuch im Bayerischen Landtag war der Besuchs des Bundespräsidenten.Im Vorfeld zu unserem Besuch im Bayerischen Landtag am 22. Februar 2011 wurden uns von Herr Willing Sicherheitsbestimmungen und genaue Infos zum Ablauf vorgelegt. Da unsere Namen bereits vom BKA überprüft wurden, durften wir an der Veranstaltung teilnehmen.
Bei der Ankunft wurden Personalausweise gegen Tagespässe getauscht, die »gut sichtbar« zu tragen waren. Außer uns waren noch vier weitere Schülergruppen eingeladen, die im Gegensatz zu uns die Kleiderordnung wohl doch ein bisschen strenger gesehen hatten.
Jede Klasse bekam einen Mitarbeiter des Maximilianeums zugeteilt, der sie durch den Tag führen sollte. Auf dem Weg durch den Hof fiel uns auf, dass der Landtag von vorne zwar sehr prunkvoll wirkt, von der Ostseite aber jedem x-beliebigen Bürokomplex ähnelt. Nach gefühlten tausend Stufen gelangten wir auf die Zuschauertribüne des Plenarsaals, die auf der einen Seite von Schülern und auf der anderen Seite von der Presse belagert wurde. Nur die Fotografen hatten das Glück, direkt zwischen der Politikern herumwuseln zu können.
In der folgenden dreiviertel Stunde, die wir warten mussten, sind nach und nach die Abgeordneten des Bayerischen Landtags eingetroffen und haben sich die Zeit durch größtenteils parteiinterne Gespräche vertrieben.
Als dann der Star des Tages Christian Wulff mitsamt seiner Frau Bettina, sowie Horst Seehofer und dessen Frau Karin den Saal betrat, standen alle — wie in den im Vorfeld ausgeteilten Sicherheitsbestimmungen vorgeschrieben — auf und klatschten. Als der Bundespräsident sich schließlich setzte, durften auch wir wieder Platz nehmen und die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Babara Stamm, begann mit ihrer Begrüßungsrede. (An dieser Stelle ein kleiner Hinweis an alle, die auf ihre Referate stets nicht mehr als 6 Punkte (eine 4 ) aufgrund durchgehenden Ablesens bekommen: Keine Angst! Ihr könnt trotzdem noch PräsidentIn des Bayerischen Landtags werden!)
Dann war Christian Wulff an der Reihe mit seiner Rede, in der er zwar aktuelle Probleme der Bundesrepublik ansprach, deutliche Standpunkte aber unverkennbar klein geschrieben wurden. Einleitende Worte zu »Münchens Prachtstraßen« und dem Maximilaneum als architektonisches Meisterwerk charakterisierten die anschließenden Worte: ein Potpourri aus Schmeicheleien für Bayern, Drumherumreden um die wirklich wichtigen Themen und unklarer Stellungnahme. Zwar gab es ab und an Applaus aus den Reihen der CDU/FDP (Thema?) und dann wieder von der Opposition (Vereinbarkeit von Kindern und Karriere) — je nach parteiinternen Vorlieben — unterm Strich versuchte der Bundespräsident aber, es allen (anwesenden) Meinungsvertretern möglichst Recht zu machen.
Thema war unter anderem der Föderalismus, die Frauenquote und die Intergrationsdebatte. Bei letzterem hob er das »Vorbild« Bayern heraus, das schon beim Empfangen geflüchteter Sudetendeutschen so offen und vorurteilsfrei gewesen sei und zudem schon immer den Kontakt zum Ausland pflegen würde. Zudem lobte er die soliden Haushalte, die starke Forschung und Entwicklung und das sehr gute Bildungssystem des Bundeslandes. Vor allem wir als Schüler des ersten G8-Jahrgangs fanden diese Aussage ziemlich hochmütig. Denn selbst Befürworter dieser Bildungsreform können nicht behaupten, alles an diesem System würde einwandfrei von statten gehen. Auch die Aussage »Ich sehe kein Problem der Überalterung, sondern eines der Unterjüngung« empörte uns beide. Wulff formuliert das offensichtliche Problem des demografischen Wandels so, dass es schlichtweg positiver klingt. Es klingt danach, dass die Förderung junger Talente leicht machbar wäre und das Thema schnell beseitigen würde.
Anschließend sprach der Bundespräsident die Demokratie in Deutschland an. Ein großes Lob hatte er auch für die Gegner von Stuttgart 21 übrig, die repräsentativ wären für die zahlreichen Bürgerinitiativen und das Gefühl der Bürger, in Entscheidungen eingeschlossen zu sein. Zu vergessen scheint Herr Wulff hierbei, dass ein Bürgerbegehren zu diesem Protest abgelehnt wurde!
Wie demokratisch ist dieses Land also?
Dafür spendete er lieber wieder nette Worte für das Idol Bayern, dass ja z.B ebenfalls einen Plebiszit zum Rauchverbot durchgeführt hätte. In Zeiten von Atomdebatten — die gab es ohne Frage auch schon vor Fukushima — und Flüchtlingsproblemen fragen wir uns, weshalb wird in der Rede des Staatsoberhaupts über Themen gesprochen, die belangloser nicht seien könnten?
Mit den Worten »Wenn etwas läuft, wird das häufig dem Zufall zugeschrieben. Wenn etwas nicht so gut läuft, wird allzu häufig die Politik dafür verantwortlich gemacht.« kam der Bundespräsident langsam zum Ende. Hierzu eine Ansage: Lieber Herr Wulff, wenn Sie diese Erkenntnis nach über 25 Jahren in der Politik trifft, sind sie vielleicht im falschen Metier. Sie sollten sich eigentlich darauf konzentrieren, das Land weiterzubringen, anstatt sich auf Lorbeeren auszuruhen.
Am Schluss der Rede standen alle Anwesenden erneut auf und klatschten. Zumindest von unserer Seite fiel der Applaus nun doch ein wenig gedämpfter aus. Das Resümee: Glaubwürdigkeit, Bürgernähe und kritisches Denken sehen anders aus. Beim Blick in die Zeitung am nächsten Tag allerdings wunderten wir uns sehr darüber, dass Christian Wulff beinahe durchgehend als relativ kritischer Bundespräsiddent beschrieben wurde.
Im Anschluss wurden wir zum Essen in einen Empfangssaal geleitet, der zwar schick aber nichts im Vergleich zum Raum daneben war, in dem Christian Wulff und sein Gefolge aßen. Das kurze Konzert, das eine Klasse des Max-Joseph-Stift zuvor zu Ehren des hohen Besuchs gespielt hatte, haben wir nicht mehr gehört, da wir einen deutlich weiteren Weg vom Plenarsaal zum Essen hatten.
Nach einiger Zeit, in der es für alle anwesenden Schüler, Lehrer und Politiker eine komplette Mahlzeit gab (der Schweinebraten ist sehr zu empfehlen!), kam der wichtigste Mann des Tages herein und stellte sich der aufgeregten Traube an Schülern, Politikern und Fotografen, die um ihn herum schwirrten. Auch von uns hatten sich drei Schüler im Vorfeld freiwillig gemeldet, mit Christian Wulff zu sprechen, wegen der knapp bemessenen Zeit des Herrn Bundespräsidenten und den vielen Fragen der eifrigen Schülermasse, kam es allerdings nicht mehr dazu. Stattdessen nutzten einige die Chance, sich mit anderen Politikern, wie dem Vizepräsidenten Peter Meyer von den Freien Wählern, auszutauschen.
Abschließend machte jede Schülergruppe noch ein Foto vor der bayerischen und der deutschen Fahne und wurde schließlich wieder vom zugeteilten Mitarbeiter zum Ausgang begleitet, wo bereits die nächste Besuchergruppe wartete.
Uns stellte sich im Anschluss die Frage, ob die ganze Veranstaltung wirklich sinnvoll oder doch eher eine Verschwendung von Steuergeldern war. Dennoch war der Besuch für uns sehr interessant, da wir so die Möglichkeit hatten, den Landtag »von innen« zu sehen und mitzubekommen, was für ein gigantischer Aufwand für die Anwesenheit eines einzigen Politikers betrieben wird, der im Grunde nur einen repräsentativen Zweck hat.
Isabel Maier und Selia Fischer