Nachhaltig mit Diesel!
Ein Besuch in der THW Jugend München West
Dienstagabend. 19:00 Uhr. THW-Jugend-Versammlung München-West. Die Gruppe Jugendlicher im Alter von 10 bis 17 Jahren, die sich hier wie jeden Dienstag in der Ubostraße 7 versammelt hat, wird langsam unruhig. Zu Recht — schließlich soll die Stunde bald beginnen
Endlich stellen die Gruppenleiter Fabian Gentz und Elisabeth Schreier die heutige Mission vor: Es soll Laub gerecht werden auf dem Übungsplatz vor dem Gebäude. Doch dieser ist stockdunkel. »Soll ich schon einmal Ufo und Aggregat holen?«, fragt einer von ihnen, Lukas, 14 Jahre alt. Denn natürlich ist das Laubrechen nicht die Hauptaufgabe — viel mehr sollen die Jugendlichen lernen, wie man im Fall eines Stromausfalls Licht erzeugt und damit im konkreten Katastrophenfall für Sicherheit und Klarheit sorgen kann. Ein praktischer Nebeneffekt: Strahlt der Platz erst einmal in hellen Licht, kann später auch noch Laub gerecht werden. Die Jugendlichen, die alle schon erwartungsvoll in voller Montur, bestehend aus dunkelblauer Jacke, Stiefel, Hose und grellgelben Helmen, in dem THW-Büro sitzen, stürmen aus dem Raum in den Hof und zu einem der großen THW Einsatzwagen, die ebenfalls dunkelblau auf dem Parkplatz stehen. Dort wird das notwendige Equipment herausgesucht: Leinen zur Befestigung und Absperrband, die Stative, Flächenlampen (die Bezeichnung Ufo ist umgangssprachlich) und ein Aggregat, ein Notstromgenerator. Diese und ähnliche Übungen sollen sie auf den konkreten Katastrophenfall vorbereiten, wenn sie selbst einmal im Einsatz sein sollten, wie die »Großen« beim Technischen Hilfswerk.
THW-Grundausbildung ab 17 Jahre
Ab 17 Jahren ist es möglich die THW Grundausbildung zu machen und dann kann mit 18 Jahren als offizielles Mitglied des Technischen Hilfswerks auf Einsätze gefahren werden. Im Frühjahr beispielsweise befand sich der Verband für einige Wochen im Ahrtal, nachdem Hochwasser Gebiete von Rheinland-Pfalz teils völlig überschwemmt hatten.
Die Mitglieder und Jugendleiter sind hauptsächlich Ehrenamtliche, so auch Elisabeth Schreier: »Ich habe etwas eher Verkopftes studiert, Staatswissenschaften. Da tut es gut neben meinem typischen Bürojob noch mit den Jugendlichen zu arbeiten, praktisch involviert zu sein.«
Obwohl heute der Platz lebhaft ist und trotz der Masken und Sicherheitsabstände wenig an die Coronapandemie erinnert, hat diese Spuren hinterlassen. So musste der Unterricht, wie bei anderen Vereinen, teils komplett auf Online-Basis stattfinden: Gar nicht so einfach in Anbetracht der Tatsache, dass die Übungen praktisch sind und Hilfsmaterial benötigen. Der 15-jährige Oskar erklärt: »Wir alle haben eine Kiste gekriegt, mit Leinen und Holzbausteinen in unterschiedlichen Farben und Formen, damit wir auch Zuhause ohne Werkstatt in der Garage mit den unterschiedlichen Materialien herumexperimentieren konnten. Aber das war natürlich nicht dasselbe Gefühl, wie wenn man das zusammen in der Gruppe macht. Vielleicht sind deswegen auch einige abgesprungen.«
Doch gerade für die Jugendlichen aus der Stadt stellt das THW einen wichtigen Ausgleich zum Alltag dar. Lukas erzählt: »Ich wohne in Nymphenburg, bin damit vielleicht auch eher der Klischeestädter, aber ich wollte mich trotzdem schon früh ehrenamtlich engagieren. Erst wollte ich zur Freiwilligen Feuerwehr, aber für die war ich noch zu jung. Beim THW konnte ich direkt mit 10 Jahren einsteigen — und ich kann es nur empfehlen! Man lernt, aus sich herauszukommen und sich auf einer ganz anderen Ebene mit seinen Mitmenschen zu beschäftigen. Auch wenn man nicht dabeibleiben sollte, ist es die Erfahrung auf jeden Fall wert.« Oskar bekräftigt: »Und es kommt ja nicht nur darauf an, ein Stativ korrekt aufzubauen oder andere nützliche Dinge zu lernen. Für mich steht die Einstellung im Vordergrund anderen helfen zu wollen und viele dieser Erfahrungen mit anderen Jugendlichen teilen zu können.«
Nachhaltigkeit?
Ein anderes Thema, was die beiden beschäftigt: Nachhaltigkeit. Als Mitglied des Technischen Hilfswerk auf der einen Seite, das mit Dieselfahrzeugen arbeitet, und Angehörige der »Generation Greta« sehen sie, wie komplex die Thematik ist. So sind sie davon überzeugt, dass nicht nur der rein ökologische Aspekt bei dem Thema Nachhaltigkeit eine Rolle spielt — die Rahmenbedingungen müssen zuerst einmal für einen solchen Diskurs bestehen. Dazu gehört, dass es sich um eine solidarische und engagierte Gesellschaft handelt, die bereit ist, füreinander einzustehen — Eigenschaften, die in ehrenamtlichen Hilfsorganisationen beigebracht werden.
Aber auch ganz konkret kann als Mitglied des THW der Klimawandel bekämpft werden — im Dieselfahrzeug! Bei einem Stromausfall ist ein elektrisch betriebenes Fahrzeug nämlich eher ungünstig. Wie könnte denn dann der schicke E-PKW mit Energie versorgt werden? Oskar macht klar: »Einerseits hat man Klimakrise und andererseits hat man die Folgen davon. Und natürlich finden in der Gesellschaft aktive Bemühungen statt, dagegen anzukämpfen, aber die Folgen spüren wir trotzdem jetzt schon. Und deswegen ist es wichtig, dass man etwas hat, worauf man zurückgreifen kann, damit man weiß: Okay, auch wenn etwas schiefgeht, hat man Leute, die qualifiziert sind und auch in Notsituationen helfen können, die sicherlich in Zukunft kommen werden.«
Eine Bemerkung, die Lukas äußert, ist mir bis zum Ende meiner Reportage im Ohr geblieben: »Wenn mich jemand danach fragt, was das THW eigentlich ist, dann sage ich meist: Wir sind wie die Freiwillige Feuerwehr ohne Feuer. Sonst kann sich da niemand etwas darunter vorstellen.«
Das sollte geändert werden und dieser ehrenamtlichen Arbeit mehr Raum gegeben werden. Allein in der Großstadt München gibt es drei THW Jugendverbände — es lohnt sich definitiv einmal vorbeizuschauen!
Pauline Kittel