Eule
Städt. St.-Anna-Gymnasium

Schülerzeitung »mesSAGe« goes digital — Artikel

Miteinander statt gegeneinander

»Wir sperren Bayern nicht zu. Wir sperren Bayern nicht ein. Aber wir fahren das öffentliche Leben in Bayern fast vollständig herunter.« Mit diesen Worten verkündete Ministerpräsident Markus Söder am Freitagmittag, den 22. März 2020 eine Ausgangsbeschränkung für Bayern. Noch vor zwei Tagen sprach die Bundeskanzlerin in einer Fernsehansprache zur Bevölkerung. »Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst«, appellierte Sie an die Bürger*innen der Bundesrepublik, um eine Ausgangssperre eventuell noch zu vermeiden. Noch am Sonntagabend beschließt die Bundesregierung ein bundesweites Kontaktverbot, das bedeutet nur noch Menschen aus demselben Hausstand dürfen zusammen zu zweit ausgehen.

Noch am Mittwoch vor einer Woche saßen wir in der Schule und diskutierten, ob nun die Schulen komplett geschlossen werden oder nicht. Als Herr Söder dann am Abend verkündete, die Schulen bis auf weiteres zu schließen, freuten wir uns erstmal, verabredeten uns am Abend und feierten, dass wir nun ausschlafen konnten — während die Lage in Italien schon zu eskalieren drohte. Noch ahnten wir nicht, dass wir in zwei Wochen in unseren Wohnungen sitzen, mit dem Schülerportal Mebis kämpfen und weder unsere Freunde, noch unsere Großeltern sehen würden. Jetzt sitze ich im Garten des Hauses meiner Schwester auf dem Land und denke, wie jeder andere auch, darüber nach, wie es jetzt weitergehen wird.

Die USA hat China in der Zahl der Infizierten überholt, Italien muss Menschen über 80 Jahren die Behandlung untersagen, das Virus hat sich nun fast in allen Ländern Afrikas verbreitet, in denen es oft, wenn überhaupt, ein schlechtes Gesundheitssystem gibt und die Wirtschaft wurde in der ganzen Welt erheblich heruntergefahren. Nicht wenige befürchten, auch aufgrund der Annahme, dass der aktuelle Zustand erst »die Ruhe vor dem Sturm« sei, dass die Welt aufgrund der Wirtschaftskrise komplett kollabiert. Angela Merkel bezeichnet die Zustände als die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. In der Tat ist es ein Ausnahmezustand: Seit einer Woche sind Mehl, Hefe, Nudeln und unverständlicherweise Klopapier in beinahe allen Supermärkten ausverkauft, bis auf Lebensmittelgeschäfte und Drogerien sind alle Geschäfte geschlossen und man lebt im Grunde von Tag zu Tag, da niemand genau weiß, wie es am nächste Morgen aussehen könnte.

Doch es gibt nicht nur Menschen, die in Panik verfallen. Am Samstagabend veröffentlicht eine Freundin von mir einen Post auf Instagram, indem sie sich über die Ausgangsbeschränkung beschwert. Sie verurteilt das Verhalten der Leute, die jetzt bei einem Virus, der sie selber betreffen kann, solidarisch werden, obwohl es tödliche Viren, die oftmals in Entwicklungsländern große Schäden anrichten, schon immer gibt, ohne dass sich Menschen aus Europa dafür interessieren. Doch die Pointe aus dem Post ist eine andere: Wie können demokratische Bürger*innen harte Maßnahmen, wie das Verbot zu sozialen Kontakten, das Schließen fast aller Geschäfte und letztendlich die Ausgangsbeschränkung »ohne mit der Wimper zu zucken« akzeptieren, ja sogar bejubeln? Außerdem prangert sie Leute an, die Menschen, die noch soziale Kontakte pflegen, verurteilen und beschimpfen. Letztendlich will sie ihre Follower zum Nachdenken anregen, was auch sehr gut funktioniert, da unter dem Post eine lange Diskussion über diese Themen geführt wird.

Nach langem Nachdenken über ihre Meinung bin ich zu einem Entschluss gekommen: Der 20. März 2020 war ein schwarzer Tag für jeden Demokraten, denn obwohl man trotzdem noch an die frische Luft gehen kann, wird die Freiheit, die wir in Deutschland so schätzen, vor allem beim Verbot vom Pflegen von sozialen Kontakten eingeschränkt. Trotzdem sind die Maßnahmen zum Schutz der gesamten Bevölkerung getroffen worden, viele Experten haben darüber beraten und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Entlastung des Gesundheitssystems nur so funktionieren wird, damit man die Zustände, die jetzt in Italien herrschen, vermeiden kann.

Es gibt also nun zwei gegensätzliche Standpunkte: Die einen beschimpfen die anderen als verantwortungslose Vollidioten, während die anderen jene als gehirngewaschene Systemaffen, die alles mit sich machen lassen, bezeichnen und so schaukelt der Konflikt sich bis ins Unvorhersehbare hoch.

Und das bringt mich zum Titel dieses Berichts: »Miteinander statt gegeneinander«. Damit meine ich nicht, dass alle einer Meinung sein sollen. Mir geht es grundlegend darum, in Zeiten wie diesen, ob nun in der Politik richtig mit der Situation umgegangen wird oder nicht, zusammenzuhalten und die Meinungsverschiedenheiten und den Zorn, der dadurch entsteht, auf ein Minimum herunterzufahren, um gemeinsam und solidarisch aus dieser Krise herauszukommen.

Es geht nicht um Naivität oder Trotz. Es geht um Menschlichkeit!

Carlos Schulze