Eule
Städt. St.-Anna-Gymnasium

Deutsch-indisches Klassenzimmer

»Ich war fremd, und ihr habt mich beherbergt.« (Matthäus 35, 25)

»Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.« (Augustinus)

Reise nach Indien — von München nach Bangalore

Für unsere diesjährigen W-Seminare zum Thema »Indien« in den Fächern Wirtschaft/Geographie sowie Geschichte bot sich die Möglichkeit, an einem Austauschprojekt mitr der Delhi Public School Bangalore East teilzunehmen. Bei unserer Partnerschule handelt es sich um eine Privatschule. Die Unterrichtssprache ist Englisch, so dass die Verständigung kein Problem darstellte.

Schon im Herbst 2014 hatten die beiden betreuenden Lehrkräfte, Frau Hötzsch und Herr Nierhoff, durch Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart Gelegenheit zu einer einwöchigen Erstkontaktreise nach Bangalore, wo wir die Schule und einzelne Kolleginnen kennen lernen und uns im Vorfeld mit einer für alle Beteiligten völlig anderen Welt etwas vertraut machen konnten: das Leben auf der Straße, die ständigen Staus, übervolle Autorikschas und mit ganzen Familien besetzte Motorräder zwischen Lastwägen und Luxuslimousinen, heilige Kühe aber auch Hunde und Schweine überall, die Sprachenvielfalt, die völlig anderen Lebens- und Essgewohnheiten und das Kastensystem, das auch Jahrzehnte nach seiner Abschaffung immer noch lebendig ist. Zwar spricht man von Indien gerne als der größten Demokratie der Welt, doch beeinflusst die Kastenzugehörigkeit auch das Wahlverhalten erheblich, was im Englischen mit folgendem Wortspiel auf den Punkt gebracht wurde: »The Indians don't cast their vote — they vote their caste.«

Gleich am ersten Abend nach dem Langstreckenflug hatten wir Gelegenheit gemeinsam mit unserer Kollegin Pratibha Shukla und ihrer Familie das Lichterfest Diwali zu feiern, das mit speziellen Gebetszeremonien (puja), leckerem Essen und lauten Feuerwerken begangen wird.

Im Februar konnte eine Erstkontaktreise der indischen Lehrkräfte nach Deutschland organisiert werden: Frau Shukla und ihre Kollegin Frau Ambica Vijayan lernten eine Woche lang München und Umgebung bei Schnee und deutscher Wintersonne kennen.

Nach umfangreichen Vorbereitungen, Rückschlägen und kurzfristigen Entscheidungen — irgendwann stand das Projekt komplett auf der Kippe — war es dann am 30. Juni so weit: um sieben Uhr morgens holten wir die indische Gruppe, die von den beiden Lehrkräften Frau Sapna Luthra und Frau Sirisha Chittor begleitet wurde, am Flughafen ab. Diesmal spielte das deutsche Klima mit: es herrschte während der gesamten beiden Wochen eine derartige Hitzewelle, dass es selbst den indischen Schülern zu heiß war und einige feststellten, dass kühle Seen Erfrischung bieten können. Die Schüler verstanden sich sofort, die Inder erlebten am Tegernsee bei ihrer ersten kleinen Gebirgswanderung glückliche europäische Kühe, freuten sich über einen Ausflug nach Salzburg und damit einen Abstecher ins benachbarte Österreich. Die indischen Schüler lebten sich auch gut in den deutschen Familien ein. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig waren gemeinsame Mahlzeiten: sehr viele Inder sind Vegetarier, außerdem wird dreimal am Tag warm gegessen und Gemüse, Linsen und Milchspeisen werden völlig anders zubereitet als bei uns und wesentlich schärfer gewürzt. Da waren etwas Flexibilität und bei Restaurantbesuchen ein genaues Studium der Speisekarte gefragt.

Am 21. Oktober brach unsere Gruppe dann zum Gegenbesuch nach Bangalore auf — mit Emirates über Dubai.

Gleich bei der Ankunft wurde uns bewusst, dass auch das Indien des wirtschaftlichen Aufschwungs ein Land der Gegensätze ist: unsere Kollegen und die Gastfamilien der Schüler lebten in der Regel in komfortablen Wohnungen oder Einfamilienhäusern in Wohnblöcken, die man in den USA als »gated communities« bezeichnen würde — also mit einem 24-Studen-Sicherheitsdienst, wo Annehmlichkeiten wie Bibliothek, Kindergarten, Bridge-Raum, Meditationsraum, Swimming Pool und so weiter vorhanden sind (Stromausfälle sind auch in diesen Wohnanlagen an der Tagesordnung, im Normalfall funktioniert allerdings der Standby-Generator). Wenige Meter weiter finden sich neben gut sortierten Supermärkten einfache Lebensmittelstände und Garküchen, dörfliche Siedlungen und leider auch das, was in der Literatur euphemistisch als »provisional settlements« bezeichnet wird, also Wellblechhütten und Zeltsiedlungen. Das ständige Rattern der Webstühle aus dem nahegelegenen Dorf war bis in den 11. Stock der Wohnung meiner Gastgeberin zu hören. Allerdings werden diese Webstühle heutzutage elektrisch betrieben — das ist »handmade in India« im 21. Jahrhundert. Viele Ladeninhaber wohnen der Einfachheit halber in ihren Geschäften. Eine Verdienstmöglichkeit ist, sich als Haushaltshilfe zu verdingen; unsere Gastfamilien beschäftigten alle eine oder mehrere. Bisweilen handelt es sich um illegale Einwanderer aus Bangladesh. Trotz allem ist Bangalore die indische Stadt mit dem höchsten Lebensstandard — soweit wir wahrnehmen konnten, gehört zumindest der Hunger zum Glück dort der Vergangenheit an.

Diesmal erlebten wir das Durga-Fest mit (Durga ist eine Inkarnation der Parvatti, die wiederum die Ehefrau von Gott Shiwa ist, ihrer beider Kind ist — der in figürlichen Darstellungen stets wohlgenährt wirkende — Ganesha mit dem Elefantenkopf). Dazu werden aus Lehm »Einmal-Statuen« gebrannt und bemalt und in großen Tempeln aus Holzlatten und Stoffbahnen aufgestellt, neben Andachtszeremonien gibt es Essen und das Ganze erinnert an eine europäische Kirmess — und nach dem Fest wird alles wieder vernichtet und in den Fluss geworfen.

Ein weiteres Fest war das Karwa Choutt Fest — fromme Ehefrauen fasten einen ganzen Tag, um für ein langes Leben ihrer Männer zu beten. (Gelegentlich fastet der Ehemann aus Sympathie mit — ein großzügiges Dankesgeschenk ist in jedem Fall fällig).

Berufstätige Frauen haben trotzdem einen normalen Arbeitstag zu bewältigen, deswegen sind tagsüber Kaffee und Tee als Getränke erlaubt — wenn die Schwiegermutter einverstanden ist. Am frühen Abend trafen sich die Frauen — die sich zur Feier des Tages die Hände kunstvoll mit Henna verziert hatten dann zu einer Puja in der Versammlungshalle der Wohnanlage — Opfergaben wurden zu Sprechgesängen im Kreis herumgereicht. Wir freuten uns mit unserer Gastgeberin, als abends der Mond trotz Wolken durch ein Sieb sichtbar war — das ist nämlich der Moment, in dem wieder gegessen werden darf.

Daneben kennt man auch europäische Feste — so sind in den letzten Jahren Halloween-Parties in Mode gekommen und auch indische Kinder klingeln dann an Wohnungstüren und fordern »trick or treat«.

Immer wieder waren wir mit der sprachlichen und kulturellen Vielfalt des Landes konfrontiert. Viele Inder leben mehrsprachig, die Amtssprache von Bangalore ist Kannada, eine drawidische Sprache, im benachbarten Tamil Nadu werden Tamil und Telugu gesprochen. Die Amtssprache Hindi ist im Süden eher wenigen Menschen geläufig (sie ist für weniger als die Hälfte der Inder Muttersprache), vor einigen Jahren kam es in Tamil Nadu sogar aus Protest gegen die zwangsweise Verbreitung des Hindi zu Selbstverbrennungen. Umgekehrt leben in Bangalore viele »Zugereiste«, die das einheimische Kannada weder sprechen noch lesen können — was sich gelegentlich als Hemmschuh erweist, zum Beispiel, wenn es darum geht, in Erfahrung zu bringen, wo denn ein Bus hinfährt. An unserer Partnerschule wird Hindi als Pflicht- und Kannada als Wahlfach unterrichtet. An den staatlichen Schulen findet der gesamte Unterricht auf Kannada statt. Wenn man genau hinhört, versteht man oft auch bei den einheimischen Sprachen, worum es geht, da sehr viele englische Fremdwörter und Redewendungen in den Sprachgebrauch einfgeflossen sind. Als ich nach einem einheimischen Wort für »Prost« fragte, bekam ich zur Antwort »cheers«. Der jetzige Premierminister, Narendra Modi, schätzt allerdings dieses sogenannte »Hinglish« nicht — er bevorzugt reines Hindi mit einem starken Einschlag von Sanskrit.

Auch fast siebzig Jahre nach Beendigung der Kolonialherrschaft ist für viele Inder Englisch im beruflichen und privaten Bereich die wichtigste Verkehrssprache. Manches wird anders versprachlicht als in London oder New York – aber schließlich hatten sich die Inder ihre Kolonialherrn nicht ausgesucht und schulden ihnen auch keine Rechenschaft über die Verwendung ihrer Sprache.

Überwältigend war die Gastfreundschaft, die uns überall begrüßte. Dies führte dazu, dass wir Lehrkräfte während zwei Wochen in der Zeit, die nicht dem offiziellen Programm gehörte, ungefähr zweimal je 1½–2 Stunden Zeit für uns hatten — die übrige Zeit waren wir entweder irgendwo zum Essen eingeladen oder wir standen auf dem Weg zu Essenseinladungen im Stau. Eine Taxifahrt von 20 Kilometer kann durchaus auch mal 1½ Stunden dauern. Was etwas gewöhnungsbedürftig ist, ist, dass es sich für die indische Hausfrau nicht gehört, mit den Gästen zu essen — sie serviert den Gästen das Essen und isst selbst erst, wenn alle Gäste fertig sind.

Gleich zu Beginn unseres Aufenthalts hatten unsere Gastgeber für uns eine Exkursion nach Pondicherry und nach Malibarapuram organisiert. Das bedeutete erst einmal eine nächtliche Busfahrt von acht Studen für ungefähr 350 Kilometer.

Raststätten kennt man noch nicht überall — Pausen gab es irgendwo mitten in der Landschaft. Unser Reiseleiter leuchtete erst einmal das Gelände ab, um sicher zu gehen, dass keine Gefahr im Verzug war. Ansonsten wird auf Autobahnen gewendet, sie werden von Mensch und Tier gemütlich überquert, doch gelegentlich gibt es sogar MacDonalds oder KFCs. Mautstellen gibt es allerdings reichlich, und ganz klar war nicht, ob bei den Verkehrskontrollen nicht auch mal Geld den Besitzer gewechselt hat — irgend etwas vorschriftswidriges findet man ja immer.

Pondicherry, im Altertum ein römischer Handelsposten, bis 1954 eine französische Enklave (es gibt immer noch etwa 4500 Einwohner, die einen französischen Paß besitzen und beim Generalkonsulat ihre Stimme für die Präsidentschaftswahl abgeben dürfen) mit seinen für indischen Verhältnisse nahezu gemütlichen Straßen mit Kolonialbauten hat allen gut gefallen, auch wenn es trotz der französischen Vergangenheit nicht möglich war, gute Croissants aufzutreiben. Wir genossen einen Spaziergang am Meer, wo Straßencafés, wie sie bei europäischen Strandpromenaden üblich sind, Fehlanzeige waren. Fototermin bei der Gandhi-Statue für alle war natürlich Pflicht. Ein Abstecher brachte uns nach Auroville, wo eine große, internationale Stadt der Spiritualität entstehen soll. Von einem Aussichtspunkt aus konnten wir den „Matrimandir“, den Muttertempel sehen. Ein uralter Bunyanbaum lieferte ebenfalls jede Menge Fotomotive.

Anderntags ging es nach Malibarapuram, mit seinen uralten Tempeln direkt am Meer einer der kulturellen Höhepunkte in Südindien. Beim Tsunami 2004 ging das Meer zuerst so weit zurück, dass für einen Augenblick fünf Tempel erkennbar waren, die eigentlich vom Meer überschwemmt wurden. Als die Welle über das Land hereinbrach, wurde der Seashore Temple überflutet, und als die Wassermassen sich wieder zurückzogen, war eine weitere Statue angeschwemmt worden, die "Tsunami-Statue." Vier Menschen kamen in Malibarapuram ums Leben.

In einem Restaurant am Meer gab es das Mittagessen und wer wollte, tauchte kurz in den wellenbewegten indischen Ozean. Die Rückfahrt ging über Chennai (früher Madras), war wieder mit endlosen Staus verbunden und dauerte bis zwei Uhr morgens (die geplante Rückkehr war 22:00 Uhr gewesen). Doch die Schüler fanden die abendliche Staufahrt durch Chennai klasse, konnten sie doch das bunte Treiben auf der Straße aus nächster Nähe beobachten und immer wieder Passanten zuwinken.

Der Schulweg bedeutete für die meisten von uns erst mal eine Fahrt mit dem Schulbus, die je nach Verkehr zwischen einer und zweieinhalb Stunden dauern kann. Wie es die Briten ihnen beigebracht haben, tragen die Schüler und Schülerinnen Schuluniform, bei den mehrheitlich weiblichen Lehrkräften hingegen ist traditionelle indische Kleidung erwünscht und die Saris in ihrer Farbenvielfalt sind einfach eine Augenweide. Während des Unterrichts sehen gelegentlich Affen durch die vergitterten Fenster zu. Die vorherrschende Unterrichtsform scheint der Frontalunterricht zu sein. Die Klassen sind an unserer Partnerschule vergleichsweise klein. Die Schüle wird von ungefähr 5000 Schülern und Schülerinnen besucht. Es gibt sogar eine medizinische Ambulanz mit einer Ärztin und drei Krankenschwestern. Sportanlagen einschließlich Swimming Pool und Pausengelände und auch Toiletten sind in ausreichender Zahl vorhanden und es wird ständig und überall geputzt. Auch im Schulbus fahren Damen mit, die für Ordnung und Sauberkeit zuständig sind. Gelegentlich müssen aus Sicherheitsgründen wilde Bienenwaben entfernt werden, damit sie niemandem auf den Kopf fallen, und das geschieht bienenfreundlich. Bei Regen kriechen dann aus allen Ritzen die Frösche. Für uns wurde unter anderem eine Schnupperstunde Yoga organisiert. Die Knochen insbesondere unserer Schülerinnen wiesen eine erstaunliche Biegsamkeit auf.

Sowohl in Deutschland als auch in Indien arbeiteten die Schüler außerdem an ihrem Projekt — eine Präsentation über »Indische und deutsche Geschichte und Wirtschaft«. In Deutschland halfen die indischen Schüler sozusagen als die »Experten« den deutschen Schülern bei der Arbeit über Indien. Da auch Erkenntnisse in die W-Seminararbeiten einfließen sollten, wurden dabei auch an recht speziellen Themen (zum Beispiel Demographie, Städteplanung, Kinderarbeit) gearbeitet. In Bangalore war es dann umgekehrt. Dort wurden sie zusätzlich von einer indischen Sozialkundelehrerin tatkräftig unterstützt. Irgendwie wurde die Präsentation über Deutschland tatsächlich fertig und war recht fundiert. Bevor sie zur Darbietung am deutsch-indischen Kulturabend freigegeben wurde, wurde sie von einer kritischen Headmistress, Ms Vijayan genauestens auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft.

Ein gemeinsamer Ausflug brachte uns zum Banaghattar Nationalpark, wo es überraschend kühl und grün war und wir bengalische Tiger und Löwen aus nächster Nähe fotografieren konnten.

Am letzten Wochenende ware die beiden Lehrkräfte zu einer indischen Hochzeit eingeladen. Ein Chauffeur brachte uns ins 150 km entfernte Chittoor, der Ort, aus dem die Familie von Frau Chittoor stammt. Die Fahrt erforderte starke Nerven, der Fahrer hupte nahezu ununterbrochen, umfuhr gekonnt Schlaglöcher, Kühe und andere Hindernisse, bremste im allerletzten Moment stets doch noch und brachte uns wohlbehalten hin und zurück. Um präsentabel auszusehen wurden wir in traditionelle indische Kleidung gesteckt und gaben damit ein zusätzliches Fotomotiv für die Hochzeitsgäste ab. Als wir am Montag wieder in die Schule kamen, waren bereits etliche Schnappschüsse mit uns rundgemailt worden. Die Erkenntnis des Tages: Saris sehen zwar wunderschön aus, aber sie fachgerecht zu wickeln ist eine Kunst, bei der man als Europäerin fachkundige Hilfe benötigt, und sie sind nicht allzu bequem.

Indische Hochzeiten finden in riesigen Wedding Halls statt. Das Brautpaar sitzt auf einer Bühne unter einem reich dekorierten Baldachin (die Kokosnüsse, die dazu neben Blumen erforderlich sind, waren wegen des Regens verspätet geliefert worden — Regen gilt aber am Hochzeitstag grundsätzlich als gutes Omen), wo es die Glückwünsche und Geschenke entgegen nimmt und ein Priester die Zeremonie vollzieht. Feuer und Blumengirlanden spielen eine Rolle und der Punkt ohne Wiederkehr ist erreicht, wenn die Braut ihrem Bräutigam eine Schnur aus Tamarinde um den Hals legt. Natürlich gibt es sehr unterschiedliche Hochzeitsbräuche, manchmal dauert die Zeremonie fast die ganze Nacht. Wichtig ist, dass der Astrologe den geeigneten Zeitpunkt berechnet. Indische Hochzeiten sind ansonsten eine ernste, alkoholfreie und vegetarische Angelegenheit, es gehört sich einfach nicht, dass sich die Brautleute anlächeln, von so frivolen Dingen wie einem Hochzeitskuß ganz zu schweigen. Soweit wir erfahren konnten, werden auch im modernen Indien und auch in der gebildeten Oberschicht Ehen in der Regel arrangiert. In einem Fall waren die Gasteltern einer unserer Schülerinnen als Kinder einander versprochen worden — und verliebten sich als Jugendliche tatsächlich ineinander. Zu lange und zu genau scheinen sich auch in der heutigen Zeit viele Paare nicht zu kennen — es kommt wohl durchaus vor, dass sich die Verlobungszeit auf Telefonate und gelegentliche Treffen zum Beispiel am Geburtstag beschränkt. Mittlerweile kennt man allerdings den Begriff »arranged love marriages«. Eltern mit heiratsfähigem Sohn oder heiratsfähiger Tochter hören sich im Bekanntenkreis um, und dann werden den erwachsenen Kindern mehrere potentielle Partner beziehungsweise Partnerinnen vorgestellt, zwischen denen gewählt werden darf. Wenn es überhaupt nicht passt, fängt man eben nocheinmal an, zu suchen. Eine Kollegin schilderte anschaulich, wie sich über eine Agentur im Internet ihrer Tochter (eine selbstbewusste, junge Frau mit zwei netten kleinen Söhnen, die an einem College unterrichtet) innerhalb von drei Wochen einen passenden Ehemann besorgte. Auch im 21. Jahrhundert wird allerdings Wert darauf gelegt, dass die Kaste stimmt. Reine Liebesheiraten kommen gelegentlich vor, gelten aber immer noch eher als skandalös und dann bleibt nichts anderes übrig, als im nachhinein alles zu arrangieren. Mit Zwangsverheiratungen scheint dies alles wenig zu tun zu haben und es darf die vorsichtige These formuliert werden, dass eine große Zahl indischer Ehen durchaus glücklich sind.

Viel zu schnell wurde es Zeit, Abschied zu nehmen. Beim deutsch-indischen Kulturabend schwang bei allen Wehmut mit — und Indien ist leider nicht eben die Ecke herum, wir würden uns alle gerne bald wieder sehen. Bei den Schülern flossen auch bisweilen Tränen, der Abschied fiel sichtlich allen schwer. So blieb uns nur noch, in der offiziellen Landessprache Hindi ein herzliches »dhanyawad« auszusprechen. Dass dieses Wort nicht nur »danke« bedeutet sondern dem deutschen Wort auch ähnelt, ist kein Zufall sondern liegt an der indoeuropäischen Sprachverwandschaft.

Ganz herzlich bedanken möchten wir uns an dieser Stelle bei der Robert-Bosch-Stiftung für die Bezuschussung von zwei Delegationsreisen, beim Pädagogischen Austauschdienst, dem Förderverein unserer Schule sowie bei der Landeshauptstadt München für die Gewährung von Zuschüssen für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Austauschprojekt sowie bei den betreuenden Lehrkräften in München und in Bangalore. Dank gebührt auch den beiden Schulleiterinnen, Frau Laumer und Frau Carvalho, die dem Projekt aufgeschlossen gegenüber standen und grünes Licht für seine Durchführung gaben.

Jetzt hoffen wir natürlich sehr, dass es möglich sein wird, zu einem späteren Zeitpunkt dieses Austauschprojekt zu wiederholen.

Ina Hötzsch