St.-Anna-Schüler auf Staatsbesuch
Im Februar 2013 besuchte, wie auch in den Medien berichtet wurde, der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano die Bundesrepublik Deutschland. Ausführlich wurde darüber berichtet, dass er es ablehnte, mit Peer Steinbrück zu essen — zu verunglimpfend fand er dessen Kommentar zum Wahlausgang in Italien, hatte Steinbrück sich doch zu der hier nicht näher zu analysierenden Behauptung verstiegen, zwei »Clowns« hätten die Wahl gewonnen. Ein Kommentar zu Steinbrücks italienischer Aussprache steht der Verfasserin dieser Zeilen ebenfalls nicht zu.
Was nur am Rande erwähnt wurde, war, dass er sich am 27. Februar in München mit deutschen Schülern traf — und auch eine größere Abordnung des St.-Anna-Gymnasiums vom italienischen Konsulat dankenswerterweise eingeladen worden war — eine besondere Ehre, handelte es sich doch um den ersten Besuch eines italienischen Präsidenten in München seit 30 Jahren — damals war Sandro Pertini hier gewesen.
Giorgio Napolitano wurde 1925 geboren, nahm im Krieg in einer kommunistischen Gruppe am Widerstand gegen die deutsche Besatzung teil, wurde 1945 Mitglied der Kommunistischen Partei und 1953 erstmals Abgeordneter. Später distanzierte er sich deutlich vom Sowjetkommunismus und gilt heute als gemäßigt. 2006 wurde er zum Staatspräsidenten gewählt. Seine Amtszeit endet im Mai 2013 und die Deutschlandreise war sein letzter offizieller Auslandsbesuch und so entstand die Idee einer Begegnung des »Grandseigneur« der italienischen Politik mit der jungen Generation.
Zur Vorbereitung des Besuchs boten sich aus naheliegenden Gründen Auszüge aus dem Filmklassiker »Don Camillo und Peppone« an, der ein recht anschauliches und wohl auch realistisches Bild des Nachkriegsitaliens mit seinen politischen Auseinandersetzungen (und bei Bedarf Kompromissen, auch wenn diese nicht unbedingt historisch sind) zeichnet — zwischen Monarchisten sowie Schwarzen und Roten.
Das Treffen fand im Hotel Bayerischer Hof statt. Einige unserer Schüler und Schülerinnen erschienen immerhin in Abendkleidung beziehungsweise mit Krawatte. Die Sicherheitsvorkehrungen waren für uns eher nicht wahrnehmbar und da es für die meisten von uns der erste Staatsbesuch war, konnten wir nicht sagen, ob die Organisation typisch für Staatsbesuche oder typisch für Italien war. Der offizielle Teil begann mit lediglich 10 Minuten Verspätung. Da die geladenen Gäste sich neben italienisch lernenden Schülern aus Deutschitalienern rekrutierten, hatte man auf einen Dolmetscher verzichtet. Giorgio Napolitano sprach über die dunklen Punkte in der Vergangenheit Deutschlands und Italiens, an Gegenwartsproblemen Italiens erwähnte er das »organisierte Verbrechen« (das Wort Mafia kam nicht vor) und ging dann auf die deutsch-italienische Aussöhnung ein — ein Thema, das ihn offensichtlich emotional sehr bewegte. Er sprach über die Italiener, die in Deutschland Arbeit suchten und blieben und die Deutschen, die Italien als Touristen kennenlernen und sein Fazit war die deutsch-italienische Freundschaft in einem geeinten und friedlichen Europa. Sich selbst bezeichnete er als »un anziano in gamba« (einen älteren Herrn, der mit beiden Beinen im Leben steht). Zur Wahl in Italien vom Februar 2013 äußerte er sich nicht — das durfte er auch gar nicht, er ist ja überparteiisch. Und er fand die Muße, seinen Ärger über Herrn Steinbrück all’italiana mit einem Espresso herunter zu spülen.
Anderntags berichtete der Münchner Merkur — trotz des zeitgleich stattfindenden Starkbieranstrichs am Nockherberg.
Für uns alle war diese Begegnung ein ganz besonderer Unterrichtsgang an den wir uns gerne zurück erinnern werden. Bleibt noch, Herrn Napolitano zu wünschen, dass er nach Beendigung seiner Amtszeit noch lange Espresso, vino und italienische Lebensart genießen kann!
Ina Hötzsch