Eule
Städt. St.-Anna-Gymnasium

Sozialpraktikum der 9. Jahrgangsstufe

Sommerprojektwoche

Bekanntlich absolvieren die Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe am SAG am Ende des Schuljahres ein vierzehntägiges Sozialpraktikum. »Müssen wir was Soziales machen?« meinte ein Schüler bei der ersten Besprechung dieses Projekts. »Was soll mir das bringen?«

Der Unmut ist verständlich, denn normalerweise konfrontiert dieses Praktikum die Schülerinnen und Schüler mit Lebensthemen, die ihnen fremd sind und zu denen viele Menschen auch lieber in Distanz bleiben: Armut, Behinderung, Krankheit, Alter und Tod. Doch auch hier gilt, dass die Realität meist weniger beunruhigend ist als die Vorstellung davon: Sobald diese fremden Lebenswelten konkret werden und die Schülerinnen und Schüler erleben, wie anderen geholfen wird und dass auch sie anderen helfen konnen, übernehmen sie gern soziale Verantwortung und empfinden die Kompetenzen, die sie während ihres Sozialpraktikums erwerben, durchaus als etwas, das ihnen auf die eine oder andere Weise etwas »bringt«. Denn das ist das Wesentliche, dass jeder die Möglichkeit hat, seinen speziellen Weg des Helfens zu entdecken. So hat auch Leon, der den folgenden Bericht verfasst hat, seinen ganz eigenen Zugang zu menschlichem Leid gefunden.

H. Hain

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Praktikum im Klinikum Freising vom 16.–27. Juli 2012

An meinem ersten Tag kam ich mit vielen Fragen im Kopf zur Klinik: Wie ist wohl der Krankenhausalltag? Auf welcher Station werde ich eingesetzt werden? Gibt es Parallelen zu »Scrubs«? Schließlich wurde ich im Ultraschall eingeteilt.

In meiner grünen Schutzkleidung durfte ich hier nun zwei Wochen lang von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr Patienten bestellen und ihre Abholung organisieren, Krankenbetten herumfahren, Schallköpfe desinfizieren und beim Beschallen zugucken. Jedoch gab es auch einige besondere Ereignisse im monotonen Tagesablauf, z. B. Ascitispunktionen, bei denen mit Hilfe einer langen Nadel angesammelte Flüssigkeit aus dem Körper des Betroffenen abgelassen wurde, oder das Legen eines Shaldon- Katheters: Damit ein Patient in großeren Mengen künstlich ernährt werden konnte, wurde ihm mit Spritzen, Drahten und Messern ein Zugang durch ein Plastik-Röhrchen gelegt. Als wäre mir bei diesem Anblick nicht schon mulmig genug gewesen, meinte der Oberarzt kurz vorm Öffnen des Ventils: »Oh, jetzt müsste es gleich sprudeln!«

Am Ende des Praktikums hatte ich noch die Gelegenheit bei einigen Magen- bzw. Darmspiegelungen zuzusehen. Dabei erinnerte die Biopsie ein wenig an einen Ego-Shooter: Neben der Kamera erschien ein kleiner Greifarm, der auf Befehl vorschoss, zupackte und eine Probe aus dem Gewebe zupfte.

Meine Aufgaben brachten es mit sich, dass ich relativ wenig Kontakt zu den Patienten aufbauen konnte. Doch das Schicksal eines jungen Patienten hat mich sehr berührt. Dieser hatte vor zehn Jahren zum zweiten Mal versucht sich das Leben zu nehmen, indem er aus einem Haus sprang. Er überlebte den Sturz zwar, ist jedoch seitdem vom Hals abwärts gelähmt. Durch das Sozialpraktikum in einer chirurgischen Abteilung konnte ich erfahren, dass Helfen für mich bedeuten konnte, Krankheiten zu bekämpfen und Menschen zu heilen. Da ich erlebt habe, dass mich die technischen Moglichkeiten in der Chirurgie faszinieren, und ich außerdem feststellen konnte, dass ich nach einer gewissen Gewöhnungszeit den Anblick bei Operationen auch aushalte, konnte ich mir nun gut vorstellen, Medizin zu studieren und Chirurg zu werden.

Leon Mühlsteffen