Literatur ohne Grenzen — Der WorDshop im Literaturhaus 2009
Berufswunsch: Schriftsteller. Abgemacht, ich nehme die Schrift und stelle sie auf, stelle sie hin, irgendwohin.
Am 2. Juli letzten Jahres fand die Abschlusslesung der Jugendschreibwerkstätte im Literaturhaus statt — nach zwei Monaten, in denen wir wöchentlich zusammen an unseren Texten gearbeitet und eine Menge über die Schriftstellerei und den deutschen Literaturbetrieb gelernt hatten, hatten wir endlich die Möglichkeit, unsere Geschichten mit einem Publikum zu teilen.
Um sich für den WorDshop zu bewerben, konnten Jugendliche der 10. bis 12. Jahrgangsstufe Erzählungen zum Thema »Ganz fremd« beim Literaturhaus einreichen — letztendlich waren wir zwölf Teilnehmer von sechs unterschiedlichen Schulen (zwei davon aus unserem Deutsch-LK bei Frau Holzhauser) und hatten zwölf so unterschiedliche Interpretationen des gestellten Themas geliefert, wie auch unsere Texte für die Abschlusslesung völlig unterschiedlich ausfielen: von rassistischer Ausgrenzung über das Ende langjähriger Freundschaften bis hin zur Ablehnung des eigenen Kindes. Dies war ein sehr wichtiger Faktor, weshalb der WorDshop für jeden von uns so viel Anregung zu Verbesserungen und neuen Ideen mitbrachte: Wir hatten zwar den Wunsch, gemeinsam unser Schreiben zu verbessern, aber ansonsten waren wir vollkommen unterschiedlich, was unsere Arbeitsweisen, Themen und Ausdrucksmöglichkeiten betraf. So konnten wir im Gespräch sehr viel voneinander lernen.
Entscheidend war außerdem die unglaubliche Energie und Hilfsbereitschaft der Kursleiterin Lena Gorelik, einer vielfach ausgezeichneten Autorin, die als Kind von Russland nach Deutschland kam. Sie hatte stets die richtigen Tipps für uns (»Lass jedes Bild weg, das nicht dein eigenes ist!«; »Jeder Schriftsteller schreibt aus sich selbst heraus, also keine Angst vor autobiographisch angehauchten Texten!«; »Ihr werdet verdammt aufgeregt sein, aber nichts macht so viel Spaß wie die erste Lesung!«), traf sich mit uns auch außerhalb der regulären Treffen und hatte immer neue, interessante Aufgaben (»Nimm deinen Protagonisten mit, wo immer du hin gehst und egal, was du tust, stell´ dir vor, was er jetzt tun würde!«).
Auch die verschiedenen Gäste, die uns im Laufe des Workshops besuchten, gaben uns interessante Einblicke in den Autorenalltag: Die Übersetzerinnen Beate Schäfer und Barbara Lehnerer zeigten uns, welche feinen Nuancen in Sprachduktus und Wortwahl einen Text ausmachen, der Sprechtrainer Helmut Becker gab Einblick in die Kunst des Vorlesens und Tanja Graf, Mitgründerin des SchirmerGraf Verlags, berichtete vom deutschen Verlagsalltag. Der Lyriker José F.A. Oliver, Träger des Adelbert-von-Chamisso-Preises, schließlich gab uns die Lehre auf den Weg »Beschreibt nicht die Schönheit der Rose, sondern lasst sie erblühen!« und wir alle hoffen, dies verstanden und umgesetzt zu haben.
Der Höhepunkt des WorDshops aber war sicherlich für alle die Abschlusslesung, bei der jeder sein individuelles Bühnenbild und seine ganz eigenen siebeneinhalb Minuten Zeit hatte, das Publikum für seinen Text zu gewinnen — ob es nun eine originelle Fantasygeschichte, ein humoristisches Gedankenspiel oder eine experimentelle, mit Lautsprecher vorgetragene Erzählung war.
Was immer wir zwölf später einmal machen werden, in diesem WorDshop haben wir etwas erlebt, das jeder Schüler erleben sollte — ein ganz neues Gefühl für die eigene Sprache entwickeln und sich selbst neue Ausdrucksmöglichkeiten erschließen. Denn warum sollte es Unterricht für Musik und Kunst an deutschen Schulen geben, nicht aber für kreatives Schreiben?
Mirjam Bley