Eule
Städt. St.-Anna-Gymnasium

Tourette-Syndrom

(Das Tourette-Syndrom und seine sozialen Folgen)

Tic-Störungen

In unserer Gesellschaft stechen immer wieder Personen durch auffälliges Verhalten aus der Masse heraus. Dabei reicht das Spektrum von motorischen Verhaltensauffälligkeiten wie z.B. wiederholtem Räuspern, Blinzeln oder Zucken bis zu vokalen Verhaltensauffälligkeiten wie dem Ausrufen von Schimpfwörtern. Nicht jeder, der genannte Symptome zeigt, ist deshalb gleich automatisch psychisch erkrankt. Unter einer Tic-Störung versteht man das wiederholte Auftreten unwillkürlicher Kontraktionen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen oder dauernde, unbewusste vokale Äußerungen. Konkret: Die betroffene Person kann dieses Verhalten nicht selbst steuern, es entzieht sich ihrer Kontrolle.

Koprolalie

Tic-Störungen werden im ICD-10 unterschiedlich klassifiziert. Deshalb unterscheidet man zum einen zwischen vorrübergehenden motorischen oder vokalen Tic-störungen (F 95) und zum anderen zwischen chronisch motorischen oder vokalen Tic-störungen (F95.1).

Im Gegensatz zur vorrübergehenden Tic-Störung, die sich innerhalb eines Zeitraumes von 1-12 Monaten abspielt, überschreiten chronisch motorische oder vokale diesen Zeitraum. Treten zudem sowohl motorische als auch vokale Tic-Störungen zusammen auf, dann spricht man von dem Tourette-Syndrom.

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Einfache und komplexe Tics

Es gibt einfache und komplexe Tics. Einfache motorische Tics sind z.B. Augenblinzeln oder Nasenrümpfen, einfache vokale Tics z.B. Husten oder Schnüffeln. Komplexe motorische Zuckungen dagegen sind Zuckungen, bei denen mehrere Körperteile beteiligt sind und komplexe vokale Tics sind Tics, bei denen der Betroffene bestimmte Silben oder Wörter (auch Schimpfwörter) ausruft. Zu den komplexen motorischen Zuckungen zählen Echopraxie und Kopropraxie, zu den komplexen vokalen Tics Echolalie, Koprolalie.

Da diese Symptome meistens nur bei Personen mit Tourette-Syndrom vorkommen, werde ich auf diese genauer in meiner Seminararbeit eingehen. Jeder Tic-Äußerung geht ein inneres Spannungsgefühl voraus. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Tics vor allem in und durch Stresssituationen ausgelöst werden. Das muss nicht immer negativer Stress, wie z.B. Ärger, Angst etc. sein. Vielmehr können auch positive Stressmomente wie Freude, Begeisterung etc. die Tic-Störung aktivieren.

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Ursachen

Wie entwickelt sich nun eine Tic-Störung? Leider ließen sich bis heute noch keine hundertprozentig sicheren Ursachen dafür finden. Man geht jedoch von einer vererbten Störung in den Basalganglien aus. Letztere sind für die Regulation der Willkürmotorik, der Muskulatur sowie für das motorische Gedächtnis verantwortlich. Infolge der mangelnden Forschungen gibt es bis heute noch kein Heilmittel für chronisch motorische und vokale Tic-Störungen sowie für das Tourette-Syndrom — zum Leidwesen der Betroffenen.

Dabei sind Tic-Störungen weltweit verbreitet. In Deutschland sind ungefähr 6.6% der Gesamtbevölkerung von 82 Millionen betroffen, davon größtenteils im Kindesalter. An dem Tourette-Syndrom leidet ca. 1% sprich einer knappe Millionen. Im Großen und Ganzen sind Tic-Störungen durchaus weiter verbreitet als vermutet.

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Motivation

Meine persönliche Motivation für dieses Thema entstand durch die wiederholte Begegnung mit einem Mann aus meiner Nachbarschaft, der am Tourette-Syndrom leidet. Zunächst dachte ich, er wollte absichtlich Leute beschimpfen und empfand ihn als sehr unhöflich. Doch dann erfuhr ich, dass er für sein Verhalten überhaupt nichts kann. Wann immer ich diesem Mann nun begegne, wird mir das Ausmaß dieser Krankheit so richtig bewusst. Besonders der Einkauf im Supermarkt wird für ihn regelmäßig zur Belastungsprobe: Er beschimpft seine Mitmenschen mit Worten wie »Arschlöcher«, »Hitler« etc. während er gleichzeitig unkontrollierte Bewegungen macht und mit dem ganzen Körper zuckt. Auf sein Umfeld wirkt dies sehr irritierend. Einige fühlen sich dadurch persönlich angegriffen, andere wiederum halten ihn für einen Irren und ignorieren ihn. Insgesamt löst diese Situation aber bei fast allen eine merkliche Betroffenheit aus. Die Situation eskaliert besonders an der Warteschlange vor der Kasse. Während diese »normale« Situation schon so manchen gesunden Menschen zu schaffen macht, so scheint mir, dass dies für einen vom Tourette-Syndrom Betroffenen ein Ausnahmezustand ist bei dem sich jener in eine extreme Stresslage versetzt. Es haben sich schon Szenen abgespielt, in denen sich der vom Tourette-Syndrom Betroffene wilde Wortgefechte mit Kunden des Supermarktes geliefert hat. Die Kassiererin kennt ihn jedoch und reagiert gelassen bzw. informiert die wartenden Kunden.

Was genau das Tourette-Syndrom ist, wer betroffen ist, warum man es bekommt und welche sozialen Auswirkungen es hat — Antworten auf diese und noch weitere Fragen möchte ich in meiner Seminararbeit ausführlich erläutern und vertiefen.

Annika Riedel